Chronik der Egerländer Geigenbauerkapelle Bubenreuth e. V.
(Zusammenstellung von Dr. Christian Hoyer)
Die Kapelle mit der Blasmusik im Herzen und dem Egerland im Blut.
1951 wird die Geigenbauerkapelle in Bubenreuth bei Nürnberg neu aufgebaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg werden die Egerländer aus ihrer Heimat vertrieben. Viele Einwohner der Egerländer Musikstadt Schönbach finden in der eigens errichteten „Geigenbauersiedlung“ in Bubenreuth eine neue Heimat. Hier machen sich die Geigenbauer, Bogenmacher und Bestandteilerzeuger für Musikinstrumente sogleich daran, ihr reiches Vereinsleben aus der alten Heimat neu aufzubauen. Neben Sport-, Kultur- und Geselligkeitsvereinen werden zahlreiche Musikvereine wieder gegründet, allen voran das traditionsreiche „Blasorchester der Geigenbauer“: die Geigenbauerkapelle. Mit ihrer weit über 100-jährigen Tradition erhielt sie 1997 vom Bundespräsidenten die Pro-Musica-Plakette verliehen. Ein weiterer Höhepunkt ist 2007 die Teilnahme an der 50. Steuben-Parade in New York City.
Seit über 25 Jahren steht sie unter der Leitung von Alexander Stadler, widmet sich der Pflege der Egerländer Blasmusik und tritt seit 2003 ganz bewusst und mit Stolz in Egerländer Tracht auf.
Als 1950 die ersten Neubürger – Heimatvertriebene aus Schönbach im Egerland/ heute Luby u Chebu – in der Geigenbauersiedlung Bubenreuth einzogen, waren unter ihnen auch zahlreiche Musiker. Das Orchester der Geigenbauer wurde ins Leben gerufen. Es kann als Nachfolger verschiedener Schönbacher Kapellen verstanden werden: Feuerwehr-, Veteranen-, Turnermusik, Hauskapelle Hotel Sandner, Flattergeister, Blaskapelle der staatlichen Musikfachschule, Jugendtrachtenkapelle von Franz Köstler u.v.m.
Im Jahr 1951 war die offizielle Gründung der Geigenbauerkapelle in Bubenreuth. Unter Führung von Rudi Neudörfer, tatkräftig unterstützt von Otto Schuh, hatte die Kapelle bis November 1952 Instrumente und Noten im Wert von DM 2.430,- angeschafft. Weitere Gründungsmitglieder waren Franz Köstler, Karl Schuster, Georg Ruß, Josef Schmidt, Alfred Sommer, Emil Stübiger und Peter Goth. Als Gründungsdirigent konnte der Berufsmusiker, Musiklehrer und Komponist Toni Fritsch gewonnen werden.
1954 übersiedelte der Geigenbauer und Musiker Andreas Hoyer nach Bubenreuth. Als ehemaliges Mitglied des Franzensbader Kurorchesters gliederte er sich sofort bei den „Geigenbauern“ ein und übernahm 1957 die Vorstandschaft der Kapelle. Viele Jahre wirkte Hoyer als aktiver Musiker, egal ob Waldhorn, Kontrabass oder Tuba, und stand dem Verein in den 1950er bis 1970er Jahren vor.
1955 umrahmte die Geigenbauerkapelle unter der Leitung von Dr. Pfluger erstmals die Kundgebung und die Feldmesse während des Sudetendeutschen Tags in Nürnberg musikalisch. Vor 500.000 Menschen zu musizieren, war für viele ein prägendes Erlebnis.
In demselben Jahr (1955) stieß der Erlanger Musiker Wilhelm Stempel zur Geigenbauerkapelle, die er fortan maßgeblich formte und ausbaute. Dank seiner Initiative erfolgte 1956 der erste Auftritt auf der Erlanger Bergkirchweih, die dann ohne Geigenbauerkapelle kaum denkbar war. Als diese in den 1980ern vom Kellerwirt nicht engagiert wurde, kam es zu einer Revolution „auf dem Berg“. Die Erlanger beschwerten sich, boykottierten den Keller und sammelten Unterschriften. Bei der nächsten „Berchkerwa“ waren Willi Stempel und seine Geigenbauer zurück auf dem Erich-Keller.
Eine neue Uniform erhielt das Orchester 1958. Beim Muttertagsständchen konnte diese erstmals während eines Festkonzerts im Hof der Bubenreuther Fachschule für Musikinstrumentenbau vorgestellt werden. Damals entstand das erste offizielle Foto der Kapelle. Höhepunkt des Konzerts waren Kompositionen von Ehrenkapellmeister Franz Köstler, u.a. sein „Geigenbauermarsch“. Es bürgerte sich die Tradition ein, diesen Marsch als letztes Stück bei jedem Konzert darzubieten.
1977 wurde die musikalische Leitung der Kapelle vom Trompeter und Komponisten Rudi Langhammer übernommen. Unterstützt wurde er weiterhin von Wilhelm Stempel, bis dieser 1985 verstarb.
Zum 15-jährigen Jubiläum der Wiederbegründung in Bubenreuth 1966 sorgte Alfons Plutta für eine große Überraschung. Unter seiner Leitung traten erstmals Kinder und Jugendliche in der öffentlich auf. Dies war der Beginn der ersten Jugendkapelle, die zunächst bis 1975 bestand. Wenige Jahre später nahm Plutta einen zweiten Anlauf und gründete das Jugendorchester 1978 neu. Ein eigener Verein wurde ins Leben gerufen und Baptist Schmitt trat die Vorstandschaft an. Als Alfons Plutta, der Gründer der Jugendgruppe, aus gesundheitlichen Gründen seinen so liebgewonnen Taktstock niederlegen musste, trat Herfried Schuster, ein Mitglied der ersten Jugendkapelle, im Jahr 1984 dessen musikalische Leitung an.
Seit Anfang der 1980er Jahre zeichnete sich ein Generationswechsel unter den Musikern ab.
In den folgenden Jahren setzte sich aufgrund der Überalterung des Geigenbauerorchesters immer mehr der Gedanke durch, das Geigenbauer- und Jugendorchester zu vereinigen. 1989 wurde dieser Gedanke Realität. Die gesamtmusikalische Leitung übernahm Herfried Schuster. Unter seiner Führung beteiligte sich das Orchester erfolgreich an diversen Wertungsspielen und spielte seit 1991 in der Höchststufe. Die Geigenbauerkapelle trat 1988 in Berlin bei der Internationalen Funkausstellung, in Frankfurt auf der Musikmesse und 1991 in Bonn beim Bundeskanzlerfest auf. Anlässlich zweier Jubiläen konnten 1987 (20 Jahre Jugendorchester) bzw. 1993 (750-Jahrfeier Bubenreuth) in Bubenreuth Bezirksmusikfeste durchgeführt werden.
Gegen Ende der 1990er Jahre führten Besetzungsschwierigkeiten zu einer Krise des Orchesters. Nach Abtritt des langjährigen Vorstands Baptist Schmitt setzte Hermann Herzog kurzzeitig die Vereinsführung fort. 1998 verließ Dirigent Herfried Schuster das Orchester. Vorstandslos und ohne musikalische Leitung drohte dem Orchester die Auflösung. Eine „Rumpfmannschaft“ von etwa zehn Musikerinnen und Musikern stand vor der Frage: Sollen wir den Verein auflösen oder machen wir weiter?
Egerländer Geigenbauerkapelle Bubenreuth e. V.
Überzeugt vom Zusammenhalt und beseelt von der Aufgabe, den Fortbestand der Traditionskapelle zu gewährleisten, sahen einige Musiker der zweiten Jugendkapelle es als ihre Pflicht an, das Erbe der Gründergeneration anzutreten und weiterzutragen. 1999 rettete Flügelhornist Gerhard Weisel durch Übernahme des Vorstandsamts das Orchester vor der Auflösung. Seit 1980 spielte er in der Jugend- und später der Geigenbauerkapelle. Viel zu früh verstarb er mit nur 48 Jahren bereits 2017.
Der Klarinettist Alexander Stadler, seit 1986 bei der Kapelle musikalisch aktiv, stellte sich 1999 für die musikalische Leitung zu Verfügung. Als Eigengewächs der zweiten Jugendkapelle entwickelte er sich musikalisch bald in viele Richtungen weiter; schon als 15-Jähriger wurde Stadler Landessieger beim Jugendwettbewerb des Bayerischen Musikbundes und musizierte in diversen Schulorchestern, im Werksorchester Gossen (Stadtkapelle Erlangen), in einem renommierten Klarinettenquintett und schließlich während seiner Wehrdienstzeit im Bundeswehrmusikkorps Neubiberg.
Alexander Stadler und Gerhard Weisel setzten fortan neue Akzente und neue Schwerpunkte, um „die Geigenbauer“ in einen zukunftsfähigen Klangkörper zu wandeln: Neben dem Aufbau einer Bigband-Formation stand die Forcierung der Egerländer Blasmusik im Fokus des Bemühens; diese konnte auf eine professionelle Vorarbeit aufbauen, die durch Berufsmusiker Gerhard Erben geleistet worden war. Unter der Leitung von Gerhard Erben und Herfried Schuster bestanden seit 1994 die „Jungen Egerländer“ als Untergruppierung der Geigenbauerkapelle. Darauf wurde fortan das Augenmerk der Gesamtkapelle ausgerichtet. Ausdruck dieser Überzeugung, insbesondere das Egerländer Musik-Erbe zu erhalten und zu pflegen, war der Vereinsbeschluss, die Geigenbauerkapelle in Egerländer Tracht zu kleiden (2003). Logische Folge dieser Entwicklung war schließlich im Jahre 2007, den Namenszusatz „Egerländer“ vor den Traditionsbegriff „Geigenbauerkapelle“ zu platzieren.
Die Strategie der Neugründer von 1999 ging auf. Immer mehr Musikerinnen und Musiker, die von der Egerländer Blasmusik begeistert sind, schließen sich den „Geigenbauern“ an. Sie kommen aus der nächsten Umgebung wie Baiersdorf, Poxdorf, Langensendelbach oder Erlangen, aber auch aus Fürth und Nürnberg, um gemeinsam mit den Bubenreuthern zu musizieren.
Höhepunkte für die Geigenbauerkapelle sind der alljährlich stattfindende große Faschingsball der Egerländer Gmoi Zirndorf und der traditionsreiche Blasmusikabend in Bubenreuth. Daneben kommt es in den Sommermonaten zu zahlreichen Auftritten bei Kirchweihen, etwa im Knoblauchsland. 2007 reisten „die Geigenbauer“ in ihren neuen Trachten nach New York, um an der 50. Steuben-Parade teilzunehmen. Zum dritten Mal musizierten die Bubenreuther 2024 mit dem Stadtorchester Markneukirchen (Vogtland) bei deren traditionsreichen Herbstfest der Blasmusik
Als Ortsverein sind die Geigenbauer natürlich aus dem Dorfleben kaum wegzudenken. Viele Veranstaltungen werden von ihnen musikalisch umrahmt oder bestritten, von der Kerwa über das Spitalfest bis hin zu Erstkommunion, Fronleichnamsprozession, Martinsumzug, Volkstrauertag und Weihnachtsfeier am Eichenplatz.
Während der Taktstock in bewährter Manier seit über 25 Jahren von Alexander Stadler geführt wird, der gesanglich von seiner Ehefrau Isabella Stadler unterstützt wird, wechselte die Vorstandschaft seither mehrfach unter den Musikern.
Gerhard Weisel übergab die Vereinsführung nach schwierigen, aber gleichermaßen erfolgreichen Aufbaujahren 2010 an Bernd Zeilmann. Schon mit 5 Jahren begann Zeilmann Schlagzeug zu spielen. Beim Üben in der Sommerzeit und dank eines geöffneten Fensters konnte das Schlagzeug-Talent von Alfons Plutta „entdeckt“ und für sein Bubenreuther Jugendorchester angeheuert werden. Vom Dirigenten erhielt Zeilmann, der mittlerweile 12 Jahre alt war, Unterricht und wechselte später ans Musikinstitut in Erlangen. Im Laufe seiner Musikerkarriere spielte er schon in vielen Formationen: Werksorchester Gossen (Stadtkapelle Erlangen), die Swinging Loft Band, Oldies. Seine musikalische Heimat ist stets die Geigenbauerkapelle geblieben. Zeilmann führte den Verein zehn Jahre lang von 2010 bis 2020 sehr erfolgreich. Unter seiner Ägide feierte die Geigenbauerkapelle 2011 drei Tage lang an einem Festwochenende ihr 60. Jubiläum: Dem traditionellen Blasmusikabend am Samstag ging ein Konzertabend mit der mährischen Profi-Blaskapelle „Gloria“ am Freitag voraus. Abschluss der Feierlichkeiten bildete ein Frühschoppen mit dem Trio „Kawogl“. Auch eine neu aufgenommene CD konnte dem Publikum vorgestellt werden.
Kein leichtes Amt trat Zeilmanns Nachfolger Jochen Stirnweis an, der den Vorstandsposten im Januar 2020 übernahm. Kaum im Amt bremste die Corona-Krise das kulturelle Leben fast komplett aus. Stirnweis, der seit 1989 musiziert, stieß 2012 als Tubist zu den „Geigenbauern“, nachdem er bereits mehrfach in Bubenreuth „ausgeholfen“ hatte und es ihm stets große Freude bereitet hatte, mit der Kapelle zu musizieren. Leider bestand seine Hauptaufgabe als Vorstand ab 2020 v. a. darin, die Kapelle durch die schwierige Corona-Zeit zu führen und als Klangkörper zusammenzuhalten. Als es wieder möglich wurde zu proben, galt es, Abstandsregeln umzusetzen, Hygienekonzepte tagesaktuell anzupassen und bürokratische Hürden zu meistern. Höhepunkt seiner Amtszeit war der erste Blasmusikabend „nach Corona“. Stirnweis war es stets ein zentrales Anliegen, seine Kolleginnen und Kollegen zu motivieren und zu vollem Einsatz zu bewegen. Probe- und Aufenthaltsraum der Kapelle wurden während seiner Vorstandschaft neu gestaltet, die Satzung und die Mitgliederliste auf Vordermann gebracht.
Im Jahr 2024 wurde von Jochen Stirnweis der Stab an Werner Hehn weitergereicht, der bereits auf eine 50-jährige Musikerzeit zurückblicken kann. Vom Akkordeon wechselte er rasch zur Ventilposaune und von dort war der Weg zu seinem geliebten Bariton nicht mehr weit. Seine ersten musikalischen Gehversuche erfolgten in einer Dorfkapelle im Banat. Seit 1990 in Erlangen wohnhaft, dauerte es nicht lange, bis er von den „Geigenbauern“ hörte, von ihnen begeistert war und 1994 als Musiker bei ihnen Aufnahme fand. Er möchte mit der musikalischen Leitung und mit seinen Vorstandskolleginnen und -kollegen viel erreichen. Neben dem ersten Auftritt der „Geigenbauer“ beim Blasmusikfestival „Blechlawine“ im Tiroler Mayrhofen 2025, treibt Hehn schon jetzt die Vorbereitungen für das 75. Jubiläum der Egerländer Geigenbauerkapelle im Jahr 2026 voran. Bis dahin sollen die Trachten erneuert und die Notenmappen auf Vordermann gebracht sein. Neue einheitliche Jacken für musikalische Auftritte ohne Tracht wurden bereits angeschafft.